Geschichten des Nordens- Weiterer Bericht des Händlers Ibn A'Shabar
Auszug aus den Berichten über die Fahrten des Händlers Ibn A'Shabar...
„Ich wusste nicht wie lange ich bewusstlos gewesen war. Überhaupt hatte ich mühe, überhaupt irgendetwas zu wissen. Mein Schädel schmerzte und als ich das erste Mal wieder die Augen öffnete, glaubte ich er würde mir bald zerplatzen. Erst langsam konnte ich mich wieder daran erinnern, was geschehen war. Unser Schiff war von den Vjallwiker geentert worden. Wir hatten gekämpf, tapfer wie ich glaube, doch sie waren in der Überzahl. Doch selbst wenn es nur einige wenige gewesen wären, ich glaube kaum, dass wir sie hätten besiegen können. Ihre Bewegungen waren im Kampf flink, sie handhabten ihre Waffen geschickt. Aber das war es nicht allein. Sie schienen sich nicht vor unseren Klingen zu fürchten. Sie blickten nicht wie ein jeder andere- zugegeben unerfahrene- Kämpfer auf die Waffe seines Feindes, sonder direkt in seine Augen. Mich griff ein junger Krieger an, zu mindestens glaube ich, das er jung war. Sein Breitschwert hieb noch recht wild nach mir und mir gelang es ihm eine Zeit auszuweichen. Mein Säbel schien ihn sogar zu verwunden. Doch dann zog er sich zurück und bevor ich mich vollständig umdrehen konnte, traf mich etwas am Kopf. Das letzte was ich gesehen hatte, waren durchdringende Augen von der Farbe eines Saphirs.
Dann blickte ich also, als ich es wagte meine Augen zu öffnen, auf eine Wand aus Holzbohlen. Ich lag auf dem Boden, auf einem Fell und meine Hände waren auf meinen Rücken gefesselt. Ich schien alleine zu sein. Wo waren die anderen? Steuermann Hadrin? Maat Daulober? Waren sie tot? Und weshalb war ich hier? Jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Erfolglos versuchte ich mich auf zu richten, und konnte deshalb nur meinen Kopf empor heben, um die Eintretenden anzusehen. Es waren zwei Vjallwiker, ein Mann und eine Frau. Beide trugen Kleidung aus Wolle, die mit Pelzen verbrämt wurde. Holzperlen, Scheiben und ähnlicher einfacher Schmuck zierte die Kleidung der Frau, ich konnte auch ein Muster erkennen, dass man in ihr Oberteil gestickt hatte. Der Mann trug dagegen eine Art Lederrüstung und ein Wolfsfell über den Schultern. Er schaute nur flüchtig zu mir hinüber, dann sprach er zu der Frau. Eine eigenartige Sprache. Einige laute klangen für mich sehr kehlig, doch beide sprachen sehr melodiös und betont. Die Stimme der Frau war nicht viel höher, als die des Mannes. Sie war ebenso wohlklingend und volltönend. Der männliche Vjallwiker deutete auf mich und sagte wieder etwas, dann verließ er das Haus. Die Frau blieb zurück, sie trat sogar auf mich zu. Da erkannte ich erst, dass sie eine hölzerne Schüssel und einen Krug bei sich trug. Sie kniete neben mir und richtete mich auf, so dass ich mit dem Rücken an der Wand lehnen konnte. Ihr Griff war erstaunlich fest dabei. Dann sah sich mich durchdringend an. Und ich erkannte die Augen. Der selbe Blick wie auf unserem Schiff. Hatte dieses zierliche Mädchen- denn so jung schien sie mir-, mich niedergeschlagen?Sie sagte etwas zu mir, was ich natürlich nicht verstand. Ich schüttelte den Kopf. Mit weiteren leisen Worten nahm sie einen Löffel begann mich zu füttern. Zuerst kniff ich die Lippen zu und versuchte mich von ihr abzuwenden. Doch dann siegte der Hunger in mir und ich ließ es zu. Der fleischige Brei schmeckte streng, wenn auch nicht unbedingt unangenehm, und mit kleinen Schlucken von Wasser zwischendurch, war er durchaus geniessbar. Während dieser demütigenden Situation betrachtete ich das Mädchen genauer. Sie hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge, mit hohen, geschwungenen Wangenknochen. Ihre blassen, aber vollen Lippen waren zu einem feinen Lächeln aufgeworfen, als sie mich wie ein Kleinkind fütterte. Doch am meisten faszinierten mich ihre Augen. Sie schien das schwache Licht in der Hütte aufzunehmen, zu brechen und in manigfaltigen Facetten zurück zu werfen. Das tiefe Blau erinnerte mich an einen See, in dem ich drohte zu versinken. Doch trotzdem, die Tatsache, dass sie elfisch war, stieß mich ab, wenn auch geringer, als zu glauben wäre. Selbstverständlich hatte ich noch nicht viele Elfen getroffen, sie waren recht selten und blieben eher für sich. Aus guten Grund, wie man meinen könnte, denn immerhin haben die Elfen diese Welt zu dem gemacht, was sie ist. Aber Halmanika war wohl einer letzten Orte, an dem ich Elfen vermutet hätte. Nur Fyrvale und die Blase kamen mir noch unwahrscheinlicher vor. Aber dieses Mädchen und meine Kopfschmerzen waren der beste Beweis wie man sich irren kann. Schließlich erhob sie sich und wandte sich zu gehen. Ich rief ihr nach, sie solle mir sagen, was mit meinen Kameraden gesehen sei, doch diesmal schüttelte sie nur den Kopf und ließ mich in meinem Gefängnis allein. Ibn, sagte ich mir, dein Glück hat dich wohl verlassen. Gefangen von elfischen Seeräubern, in einem eisigen Land und die Handelsexpedition gescheitert. Vater würde toben. Wenn auch eher wegen den ungeheuren Kosten, die meine Lehre und mein Studium verursacht hatten und nun wahrscheinlich verschwendet waren. Denn ich war mir sicher: Dieses Land verließ ich nie wieder.
So hing ich dunklen Gedanken nach, als wieder jemand die Hütte betrat. Es war das Mädchen abermals. Sie beugte sich zu mir, ließ mich ihren Duft atmen, dieser salzige Geruch und band mich los. Ich konnte kaum stehen und meine Hände waren taub, doch sie stützte mich. Sie führte mich aus dem Haus. Das Dorf, so will ich es mal nennen, bestand nur aus Holzhütten aus ganzen Baumstämmen und auf deren Giebel-Dächern Flächten und Moose zu wachsen schienen. Es lag mehr als knöchelhoch Schnee und meine niedrigen Stiefel waren längst durchnässt. Doch ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Alle Häuser waren mit reichen Schnitzereien verziert und hölzerne Standbilder bildeten den Kern der freien Fläche über die wir gingen. Es waren Bildnisse von Vjallwikern, aber es ragte das Bild eines Wolfes heraus. Ein riesiges Tier, dessen Augen silbern funkelten. Ich blieb wohl für einen Moment stehen, um zu staunen, denn sie stieß mich leicht in den Rücken.Einige Vjallwiker stand vor ihren Türen und blickten neugierig zu mir, andere dagegen hielten kaum in ihrer Arbeit inne.Sie führte mich zu einem großen langgstrecken Haus, das größte wohl im Dorf.Zwei bewaffnete Krieger schien davor Wache zu halten. Als sie uns kommen sahen, griffen sie zu ihren Klingen, doch sie waren schnell wieder beruhigt und entspannten sich sichtlich. Wie konnten sie nur ihre Arme nur bei dieser Kälte unbedeckt lassen? Im Innern des Hauses war es dunkel, aber angenehm warm. Wir betraten eine Art Saal, dessen Wände mit Fellen von Bestien, Waffen und anderen Trophäen. Zu meinem Grausen konnte ich auch einen scheinbar menschenlichen Schädel sehen, der- an einer Lederschnur hängend- zur Schau gestellt wurde. Das Schicksal, dass meine Gefährten ereilt hatte und das auf mich schon wartete, wurde mir klar. Und es gab kein Zurück. Wohin sollte ich auch gehen? Am Ende des Saales stand ein einfacher hölzerner Stuhl, doch allein aufgrund dieses Raumes, war mir klar das dies ein Thron sein musste.Der Mann, der darauf saß, bestätigte diesen Eindruck nur noch. Er war alt, doch sah ich dies mehr an seinen Augen, denn an seinen Zügen. Die waren die eines jungen Mannes, doch an keinem Zeitpunkt glaubte ich dieser Täuschung. Er war- wie alle Vjallwiker wohl- in Felle gewandet. Zudem trug er zahlreiche Schmuckstücke, viele daraus aus Silber. An seiner Hüfte hing eine Streitaxt, aus einem Material, dass ich nicht kannte. Er musterte mich für einen Moment, dann sprach er. Wie erstaunt war ich, als ich die Worte hörte.
„Wer seid ihr und was wollt ihr?“
Er hatte einen rauen Akzent und seine Wortwahl war grob, doch er sprach fehlerfrei die Handelssprache. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich brauche einige Momente zu antworten.
„Mein Name ist Ibn A'Shabar, aus der Familie Shabar und ich bin hier, um die händlerischen Möglichkeiten für mein Handelshaus aufzuklären.“
Ich wollte gerade weiterreden, als man mich unterbrach.
„Ihr seid also gekommen um uns auszuplündern?“
Ich war entsetzt, viel weniger wegen dieser Anschuldigung, sondern wegen dieser Art wie er es sagte.
„Nein, keinesfalls, mein Herr.“
Ich hatte beschlossen, dass Schmeichelein in diesem Moment wohl sehr angebracht sein würden.
„Niemals würde mir so etwas einfallen, vielmehr dachte ich an ein Abkommen.“
„Unwichtig. Sagt mir lieber, weshalb ich euch am Leben lassen sollte.“
Angst stieg in mir hoch, sie würden mich töten, wie die Anderen. Deshalb hatte niemand diesen verdammten Kontinent großflächig erschlossen.
„Herr, ich bitte euch, nein, ich flehe euch an, ich wäre euch sicher von Nutzen.“
Er blickte mich, an seine Brauen erhoben zu blauen Bögen über seinen Augen. Sein Mund zuckte. Ich verstand es nicht sofort, aber dann erkannte ich, dass er lachte.
„Hört auf euch so zu erniedrigen, Ibn A'Shabar. Ich möchte euch nicht töten.“
„Aber die anderen?“
„Leben noch und sind auf ihrem Schiff. Fliehen sicherlich so schnell sie könne.“
Ich traute meinen Ohren kaum. Sie waren am Leben. Das freute mich, aber gleich darauf war ich wütend, dass man mich zurückgelassen hatte. Der Vjallwiker schien meine Gedanken gelesen zu haben.
„Wir haben ihre Fracht geplündert und sind dann zurück gefahren. Wir nehmen normalerweise keine Gefangenen. Aber wir töten Rundohren auch nur, wenn sie ihre Füße auf unser Land setzen. Ihr dagegen, nun, ihr wurdet in der Schlacht von meiner Tochter niedergeschlagen und mitgenommen. Weshalb, das frage ich mich auch. Ihr gehört eigentlich ihr, ich dagegen wollte den Gast nur einmal sehen. Und ob ich, wie mein Sohn mir rät, euch köpfen soll.“
Tochter? Gast? Ich blickte das Mädchen an. Sie lächelte nur leicht- und kalt, wie ich anmerken muss, kalt und schön, wie ein Eiskristall- und sah dann wieder zu ihrem Vater. Was dann kam überraschte mich.
„Er hätte Bedrir ernsthaft verletzt, wenn ich ihn nicht niedergehauen hätte. Er ist ein guter Kämpfer für ein Rundohr. Und dann brachen wir wieder auf, da habe ich ihn auf unser Schiff getragen.“
Dieses zierliche Wesen hatte mich getragen? Und weshalb sprach sie auch die Handelssprache?
„Ich danke euch für eure Gastfreundlichkeit, doch ich verstehe nicht...“
Er winkte ab.
„Dankt nicht, ihr habt, so glaube ich, keinen Grund dazu. Wisst ihr denn nicht wo ihr seid?“
Welch eine Frage, nur was wollte er als Antwort?
„Ich befinde mich auf Halmanika und befinde mich in einem Vjallwikerdorf.“
„Vjallwiker? So nennen die Rundohren uns.“
Das war sie und sie klang nicht erfreut. Im Gegenteil: Ihre Augen waren zu funkelnden Schlitzen verengt und sie schob die Unterlippe ein wenig vor. Der Anblick von diesem schönen, aber wütenden Gesicht ließ mich beinahe zurückweichen.
„Verzeiht, ich wollte niemanden beleidigen.“
Der Mann, der wohl eine Art Anführer oder Häuptling war, schüttelte knapp den Kopf.
„Ihr beleidigt nicht, ihr seid nur unwissend. Meine Tochter ist ein wenig aufbrausend.“
Vorsichtig sah ich zu ihr, denn ich erwartete eine Demonstration dieses Tempratmentes, doch sie funkelte nur ihren Vater an.
„Ihr habt euch auf ein Land gewagt, dass euch eigentlich verwährt sein sollte. Dieses Land gehört den Beschützern und sie haben uns mit ihnen zu leben, doch andere sind ihnen unangenehm. Sie schänden die Erde, das Wasser und die Luft. Sie sollen fern bleiben. Ihr habt glück, Ibn A'Shabar, großes Glück. Ein anderer Clan hätte euch getötet, doch der Clan der Wölfe schätzt Gastfreundschaft.“
Ich verstand ihn nicht recht, doch ich wagte nicht nachzufragen.
„So danke ich euch trotzdem. Ich werde euch nicht allzu lange zur Last fallen.“
Damit verneigte ich mich höflich, wie man es mich gelehrt hatte. Doch dabei sah ich das Gesicht des Vjallwikers, es war voller trauer.
„Aber sagt mir vorher, mein Herr. Wer seid ihr? Wie soll ich euch nennen. Und wie soll ich eure bezaubernde Tochter nennen.“
Er richtete sich ein wenig auf und sah mir gerade in die Augen.
„Man nennt mich Faern Sogridlin, ich bin der Hersir dieses Dorfes. Das dort ist Annve, meine jüngste Tochter. Und nun, Ibn A'Shabar, seid ihr entlassen. Doch ihr gegen Abend könnt mit uns speisen, wenn ihr wollt.“
Damit wandte er sich ab, abrupt wie mir schien. Ich verstand nur sehr wenig, was ich eben erfahren hatte und stand ein wenig verwirrt im Saal und starrte dem fortgehenden Faern hinterher, bis mich dessen Tochter fortführte. Als für über den verschneiten Platz gingen, fragte ich sie wann man mich den gehen lassen würde. Sie sah mich auch an, teils traurig, teils wütend über mein scheinbares unverständnis. Ihre Antwort würde ich nie vergessen, das wusste ich sogleich.
„Du Narr, verstehst du nicht, du gehst hier nie wieder fort.“
„Ich wusste nicht wie lange ich bewusstlos gewesen war. Überhaupt hatte ich mühe, überhaupt irgendetwas zu wissen. Mein Schädel schmerzte und als ich das erste Mal wieder die Augen öffnete, glaubte ich er würde mir bald zerplatzen. Erst langsam konnte ich mich wieder daran erinnern, was geschehen war. Unser Schiff war von den Vjallwiker geentert worden. Wir hatten gekämpf, tapfer wie ich glaube, doch sie waren in der Überzahl. Doch selbst wenn es nur einige wenige gewesen wären, ich glaube kaum, dass wir sie hätten besiegen können. Ihre Bewegungen waren im Kampf flink, sie handhabten ihre Waffen geschickt. Aber das war es nicht allein. Sie schienen sich nicht vor unseren Klingen zu fürchten. Sie blickten nicht wie ein jeder andere- zugegeben unerfahrene- Kämpfer auf die Waffe seines Feindes, sonder direkt in seine Augen. Mich griff ein junger Krieger an, zu mindestens glaube ich, das er jung war. Sein Breitschwert hieb noch recht wild nach mir und mir gelang es ihm eine Zeit auszuweichen. Mein Säbel schien ihn sogar zu verwunden. Doch dann zog er sich zurück und bevor ich mich vollständig umdrehen konnte, traf mich etwas am Kopf. Das letzte was ich gesehen hatte, waren durchdringende Augen von der Farbe eines Saphirs.
Dann blickte ich also, als ich es wagte meine Augen zu öffnen, auf eine Wand aus Holzbohlen. Ich lag auf dem Boden, auf einem Fell und meine Hände waren auf meinen Rücken gefesselt. Ich schien alleine zu sein. Wo waren die anderen? Steuermann Hadrin? Maat Daulober? Waren sie tot? Und weshalb war ich hier? Jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Erfolglos versuchte ich mich auf zu richten, und konnte deshalb nur meinen Kopf empor heben, um die Eintretenden anzusehen. Es waren zwei Vjallwiker, ein Mann und eine Frau. Beide trugen Kleidung aus Wolle, die mit Pelzen verbrämt wurde. Holzperlen, Scheiben und ähnlicher einfacher Schmuck zierte die Kleidung der Frau, ich konnte auch ein Muster erkennen, dass man in ihr Oberteil gestickt hatte. Der Mann trug dagegen eine Art Lederrüstung und ein Wolfsfell über den Schultern. Er schaute nur flüchtig zu mir hinüber, dann sprach er zu der Frau. Eine eigenartige Sprache. Einige laute klangen für mich sehr kehlig, doch beide sprachen sehr melodiös und betont. Die Stimme der Frau war nicht viel höher, als die des Mannes. Sie war ebenso wohlklingend und volltönend. Der männliche Vjallwiker deutete auf mich und sagte wieder etwas, dann verließ er das Haus. Die Frau blieb zurück, sie trat sogar auf mich zu. Da erkannte ich erst, dass sie eine hölzerne Schüssel und einen Krug bei sich trug. Sie kniete neben mir und richtete mich auf, so dass ich mit dem Rücken an der Wand lehnen konnte. Ihr Griff war erstaunlich fest dabei. Dann sah sich mich durchdringend an. Und ich erkannte die Augen. Der selbe Blick wie auf unserem Schiff. Hatte dieses zierliche Mädchen- denn so jung schien sie mir-, mich niedergeschlagen?Sie sagte etwas zu mir, was ich natürlich nicht verstand. Ich schüttelte den Kopf. Mit weiteren leisen Worten nahm sie einen Löffel begann mich zu füttern. Zuerst kniff ich die Lippen zu und versuchte mich von ihr abzuwenden. Doch dann siegte der Hunger in mir und ich ließ es zu. Der fleischige Brei schmeckte streng, wenn auch nicht unbedingt unangenehm, und mit kleinen Schlucken von Wasser zwischendurch, war er durchaus geniessbar. Während dieser demütigenden Situation betrachtete ich das Mädchen genauer. Sie hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge, mit hohen, geschwungenen Wangenknochen. Ihre blassen, aber vollen Lippen waren zu einem feinen Lächeln aufgeworfen, als sie mich wie ein Kleinkind fütterte. Doch am meisten faszinierten mich ihre Augen. Sie schien das schwache Licht in der Hütte aufzunehmen, zu brechen und in manigfaltigen Facetten zurück zu werfen. Das tiefe Blau erinnerte mich an einen See, in dem ich drohte zu versinken. Doch trotzdem, die Tatsache, dass sie elfisch war, stieß mich ab, wenn auch geringer, als zu glauben wäre. Selbstverständlich hatte ich noch nicht viele Elfen getroffen, sie waren recht selten und blieben eher für sich. Aus guten Grund, wie man meinen könnte, denn immerhin haben die Elfen diese Welt zu dem gemacht, was sie ist. Aber Halmanika war wohl einer letzten Orte, an dem ich Elfen vermutet hätte. Nur Fyrvale und die Blase kamen mir noch unwahrscheinlicher vor. Aber dieses Mädchen und meine Kopfschmerzen waren der beste Beweis wie man sich irren kann. Schließlich erhob sie sich und wandte sich zu gehen. Ich rief ihr nach, sie solle mir sagen, was mit meinen Kameraden gesehen sei, doch diesmal schüttelte sie nur den Kopf und ließ mich in meinem Gefängnis allein. Ibn, sagte ich mir, dein Glück hat dich wohl verlassen. Gefangen von elfischen Seeräubern, in einem eisigen Land und die Handelsexpedition gescheitert. Vater würde toben. Wenn auch eher wegen den ungeheuren Kosten, die meine Lehre und mein Studium verursacht hatten und nun wahrscheinlich verschwendet waren. Denn ich war mir sicher: Dieses Land verließ ich nie wieder.
So hing ich dunklen Gedanken nach, als wieder jemand die Hütte betrat. Es war das Mädchen abermals. Sie beugte sich zu mir, ließ mich ihren Duft atmen, dieser salzige Geruch und band mich los. Ich konnte kaum stehen und meine Hände waren taub, doch sie stützte mich. Sie führte mich aus dem Haus. Das Dorf, so will ich es mal nennen, bestand nur aus Holzhütten aus ganzen Baumstämmen und auf deren Giebel-Dächern Flächten und Moose zu wachsen schienen. Es lag mehr als knöchelhoch Schnee und meine niedrigen Stiefel waren längst durchnässt. Doch ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Alle Häuser waren mit reichen Schnitzereien verziert und hölzerne Standbilder bildeten den Kern der freien Fläche über die wir gingen. Es waren Bildnisse von Vjallwikern, aber es ragte das Bild eines Wolfes heraus. Ein riesiges Tier, dessen Augen silbern funkelten. Ich blieb wohl für einen Moment stehen, um zu staunen, denn sie stieß mich leicht in den Rücken.Einige Vjallwiker stand vor ihren Türen und blickten neugierig zu mir, andere dagegen hielten kaum in ihrer Arbeit inne.Sie führte mich zu einem großen langgstrecken Haus, das größte wohl im Dorf.Zwei bewaffnete Krieger schien davor Wache zu halten. Als sie uns kommen sahen, griffen sie zu ihren Klingen, doch sie waren schnell wieder beruhigt und entspannten sich sichtlich. Wie konnten sie nur ihre Arme nur bei dieser Kälte unbedeckt lassen? Im Innern des Hauses war es dunkel, aber angenehm warm. Wir betraten eine Art Saal, dessen Wände mit Fellen von Bestien, Waffen und anderen Trophäen. Zu meinem Grausen konnte ich auch einen scheinbar menschenlichen Schädel sehen, der- an einer Lederschnur hängend- zur Schau gestellt wurde. Das Schicksal, dass meine Gefährten ereilt hatte und das auf mich schon wartete, wurde mir klar. Und es gab kein Zurück. Wohin sollte ich auch gehen? Am Ende des Saales stand ein einfacher hölzerner Stuhl, doch allein aufgrund dieses Raumes, war mir klar das dies ein Thron sein musste.Der Mann, der darauf saß, bestätigte diesen Eindruck nur noch. Er war alt, doch sah ich dies mehr an seinen Augen, denn an seinen Zügen. Die waren die eines jungen Mannes, doch an keinem Zeitpunkt glaubte ich dieser Täuschung. Er war- wie alle Vjallwiker wohl- in Felle gewandet. Zudem trug er zahlreiche Schmuckstücke, viele daraus aus Silber. An seiner Hüfte hing eine Streitaxt, aus einem Material, dass ich nicht kannte. Er musterte mich für einen Moment, dann sprach er. Wie erstaunt war ich, als ich die Worte hörte.
„Wer seid ihr und was wollt ihr?“
Er hatte einen rauen Akzent und seine Wortwahl war grob, doch er sprach fehlerfrei die Handelssprache. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich brauche einige Momente zu antworten.
„Mein Name ist Ibn A'Shabar, aus der Familie Shabar und ich bin hier, um die händlerischen Möglichkeiten für mein Handelshaus aufzuklären.“
Ich wollte gerade weiterreden, als man mich unterbrach.
„Ihr seid also gekommen um uns auszuplündern?“
Ich war entsetzt, viel weniger wegen dieser Anschuldigung, sondern wegen dieser Art wie er es sagte.
„Nein, keinesfalls, mein Herr.“
Ich hatte beschlossen, dass Schmeichelein in diesem Moment wohl sehr angebracht sein würden.
„Niemals würde mir so etwas einfallen, vielmehr dachte ich an ein Abkommen.“
„Unwichtig. Sagt mir lieber, weshalb ich euch am Leben lassen sollte.“
Angst stieg in mir hoch, sie würden mich töten, wie die Anderen. Deshalb hatte niemand diesen verdammten Kontinent großflächig erschlossen.
„Herr, ich bitte euch, nein, ich flehe euch an, ich wäre euch sicher von Nutzen.“
Er blickte mich, an seine Brauen erhoben zu blauen Bögen über seinen Augen. Sein Mund zuckte. Ich verstand es nicht sofort, aber dann erkannte ich, dass er lachte.
„Hört auf euch so zu erniedrigen, Ibn A'Shabar. Ich möchte euch nicht töten.“
„Aber die anderen?“
„Leben noch und sind auf ihrem Schiff. Fliehen sicherlich so schnell sie könne.“
Ich traute meinen Ohren kaum. Sie waren am Leben. Das freute mich, aber gleich darauf war ich wütend, dass man mich zurückgelassen hatte. Der Vjallwiker schien meine Gedanken gelesen zu haben.
„Wir haben ihre Fracht geplündert und sind dann zurück gefahren. Wir nehmen normalerweise keine Gefangenen. Aber wir töten Rundohren auch nur, wenn sie ihre Füße auf unser Land setzen. Ihr dagegen, nun, ihr wurdet in der Schlacht von meiner Tochter niedergeschlagen und mitgenommen. Weshalb, das frage ich mich auch. Ihr gehört eigentlich ihr, ich dagegen wollte den Gast nur einmal sehen. Und ob ich, wie mein Sohn mir rät, euch köpfen soll.“
Tochter? Gast? Ich blickte das Mädchen an. Sie lächelte nur leicht- und kalt, wie ich anmerken muss, kalt und schön, wie ein Eiskristall- und sah dann wieder zu ihrem Vater. Was dann kam überraschte mich.
„Er hätte Bedrir ernsthaft verletzt, wenn ich ihn nicht niedergehauen hätte. Er ist ein guter Kämpfer für ein Rundohr. Und dann brachen wir wieder auf, da habe ich ihn auf unser Schiff getragen.“
Dieses zierliche Wesen hatte mich getragen? Und weshalb sprach sie auch die Handelssprache?
„Ich danke euch für eure Gastfreundlichkeit, doch ich verstehe nicht...“
Er winkte ab.
„Dankt nicht, ihr habt, so glaube ich, keinen Grund dazu. Wisst ihr denn nicht wo ihr seid?“
Welch eine Frage, nur was wollte er als Antwort?
„Ich befinde mich auf Halmanika und befinde mich in einem Vjallwikerdorf.“
„Vjallwiker? So nennen die Rundohren uns.“
Das war sie und sie klang nicht erfreut. Im Gegenteil: Ihre Augen waren zu funkelnden Schlitzen verengt und sie schob die Unterlippe ein wenig vor. Der Anblick von diesem schönen, aber wütenden Gesicht ließ mich beinahe zurückweichen.
„Verzeiht, ich wollte niemanden beleidigen.“
Der Mann, der wohl eine Art Anführer oder Häuptling war, schüttelte knapp den Kopf.
„Ihr beleidigt nicht, ihr seid nur unwissend. Meine Tochter ist ein wenig aufbrausend.“
Vorsichtig sah ich zu ihr, denn ich erwartete eine Demonstration dieses Tempratmentes, doch sie funkelte nur ihren Vater an.
„Ihr habt euch auf ein Land gewagt, dass euch eigentlich verwährt sein sollte. Dieses Land gehört den Beschützern und sie haben uns mit ihnen zu leben, doch andere sind ihnen unangenehm. Sie schänden die Erde, das Wasser und die Luft. Sie sollen fern bleiben. Ihr habt glück, Ibn A'Shabar, großes Glück. Ein anderer Clan hätte euch getötet, doch der Clan der Wölfe schätzt Gastfreundschaft.“
Ich verstand ihn nicht recht, doch ich wagte nicht nachzufragen.
„So danke ich euch trotzdem. Ich werde euch nicht allzu lange zur Last fallen.“
Damit verneigte ich mich höflich, wie man es mich gelehrt hatte. Doch dabei sah ich das Gesicht des Vjallwikers, es war voller trauer.
„Aber sagt mir vorher, mein Herr. Wer seid ihr? Wie soll ich euch nennen. Und wie soll ich eure bezaubernde Tochter nennen.“
Er richtete sich ein wenig auf und sah mir gerade in die Augen.
„Man nennt mich Faern Sogridlin, ich bin der Hersir dieses Dorfes. Das dort ist Annve, meine jüngste Tochter. Und nun, Ibn A'Shabar, seid ihr entlassen. Doch ihr gegen Abend könnt mit uns speisen, wenn ihr wollt.“
Damit wandte er sich ab, abrupt wie mir schien. Ich verstand nur sehr wenig, was ich eben erfahren hatte und stand ein wenig verwirrt im Saal und starrte dem fortgehenden Faern hinterher, bis mich dessen Tochter fortführte. Als für über den verschneiten Platz gingen, fragte ich sie wann man mich den gehen lassen würde. Sie sah mich auch an, teils traurig, teils wütend über mein scheinbares unverständnis. Ihre Antwort würde ich nie vergessen, das wusste ich sogleich.
„Du Narr, verstehst du nicht, du gehst hier nie wieder fort.“
Jarel Wolfssänger - 21. Jun, 18:19
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