Elfenstaemme
Ich bin alt geworden, hier im Lande der Islifiri. Ich kann mich über mein Leben nicht beklagen. Ich habe viel hier gefunden, das mir in meiner Heimat verwährt gewesen wäre. Ich hätte einen Teil der Geschäfte meines Vater übernommen und eine Frau geheiratet, die ich nicht liebe. Ich hätte ein halbes dutzend Kinder gehabt, die sich später um eine Erbe streiten. Ich hätte ein Haus in der Stadt gehabt, dass irgendwann von einem Rivalen angezündet worden wäre.
Nein, ich lebe ein gutes Leben hier. Und ich werde es sicherlich noch länger leben. Ich liebe Annve von ganzem Herzen, auch wenn ich weiß, dass sie mich bei weitem überleben wird. Ich habe ein kleines Gehöft am Rande des Dorfes. Ich bin glücklich, zu jagen und zu fischen, wenn ich es möchte. Ich bin auch glücklich nur durch die Wälder zu streifen, ohne festes Ziel und ohne auf meine Zeit zu achten. Sicherlich, das Leben hier kann hart sein und es ist oft auch. Manch einen Kampf habe ich ausgefochten, gegen die Kälte, gegen Bestien und weitaus schlimmeres. Doch ich will dieses Leben nicht mehr missen.
Aber jetzt, wo ich weiß, dass ich nie wieder meine Heimat sehen werde, jetzt da mir vielleicht noch zehn oder zwanzig Jahre bleiben, schmerzt es mich doch, wenn ich daran denke, dass niemand von meinem Schicksal weiß. Wenn überhaupt, kennen sie nur die Geschichte von meiner Entführung. Sie halten mich für tot. Dies ist für mich nicht das schlimmste- so seltsam es scheinen mag-, schlimm ist für mich der Gedanke, dass dieses Gerücht die Angst vor den unbekannten Wesen auf Halmanika anfacht. Unwissenheit und Angst ergibt leider zu oft eine Mischung, die allzu leicht in Flammen aufgeht. Dies hätte ich gern vermieden. Dies war einer der Gründe, einer von vielen, weshalb ich seit Jahren, solang ich hier lebe, weiterhin alles aufgezeichnet habe. Die Hoffnung, dass ich vielleicht doch einmal jemanden diese Berichte hätte geben können. Doch diese Hoffnung wird wohl nie erfüllt werden.
Man soll nie voreilig mit einen Schlüssen sein. So werde ich auch jetzt nicht jubeln. Aber mein Gram der letzten Zeit ist fort. Einige unserer Jäger haben ein fliegendes Gefährt entdeckt, dass in der Entfernung das Land überfliegt. Die Vjallwiker misstrauen diesem Eindringling und einige fordern es mit Pfeilen zu beschießen. Ich habe jedoch schnell gehandelt, da ich für mich eine unwiderbringliche Möglichkeit sehe. Ich habe ihnen gesagt, dass ich dieses Art von Fahrzeug kenne. Keine Lüge, aber auch nicht unbedingt die Wahrheit, denn die einzige Himmelsbarke, die ich jemals sah, war weit entfernt. Ich habe angeboten, heraus zu finden was sie wollten und sie zu bitten unser Land zu verlassen. Faern, Annves Vater, sah mich mißtrauisch an, aber er stimmte meinem Plan zu. Also habe ich begonnen in der Nacht ein großes Feuer aus Kiefern zu entzünden, dessen loderne Flammen weithin sichtbar sind. Es ist am Rande des Waldes, fern von unserem Dorf, ich möchte es nicht gefährden. Schließlich weiß ich nicht, welche Absichten dieses Schiff oder seine Besatzung hat.
Nun könnte endlich der Augenblick gekommen sein. Man berichtet, dass die Barke sich langsam nährt. Ich schreibe noch schnell diese Zeilen und dann binde ich meine Stücke zusammen und wickele sie in Lagen von Wolfspelzen. Zudem lege ich das Medallion meiner Familie dazu, denn ich brauche es nicht mehr. Der Wüstenfalke bin ich schon lange nicht mehr, ich bin nun einer der Schneewölfe. Annve möchte mich unbedingt begleiten, sie scheint zu wissen, was ich vorhabe und sie billigt es. Sie kennt meine Nöte, schon so lang sie mich kennt, denn die Sorgen sind ein Teil von mir gewesen, bis zum heutigen Tage. Vielleicht hofft sie, dass sie dann endlich alles von mir besitzt. Eine Hoffnung, die ich mit ihr insgeheim teile.
Aber in mir ist eine neue Sorge gewachsen. Denn ich berichte auch von den Schätzen, die dieses Land birgt. Gefährde ich nicht mein neues Volk damit? Locke ich nicht die Gierigen hierher? Vielleicht, doch ich vertraue darauf, nein weiß, dass die Islifiri sich verteidigen werden, wie sie es auch seit hunderten von Jahren getan haben. Ein jeder der mit Gier im Herzen kommt, wird den Zorn dieses uralten Volkes spüren. Und auch er wird für alle Ewigkeiten verschwinden. Ohne dabei mein Glück zu erfahren...
So beende ich hiermit meine Aufzeichnungen. Ich begann sie vor beinah zwanzig Jahren, als jemand der in die Gefangenschaft ging und ich schließe sie ab, als jemand der sich aus dem Kerker befreit hat, der sein Leben hätte sein können. Dies war sie, die Geschichte von Ibn A'Shabar, dem Händler aus der Wüste, dem Rundohr, das ein Islifiri wurde. Möge man dies lesen und daraus lernen.
Myr - 5. Jun, 16:08
Auszug aus den Berichten über die Fahrten des Händlers Ibn A'Shabar...
Ich muss zugeben, dass mich die Erkenntnis schleichend, aber umso schrecklicher ereilt hat. Die Erkenntnis, dass ich nie wieder Halmanika verlaßen würde. Dass ich nie wieder die Wüsten meiner Heimat sehen, nie wieder durch die glorreichen Städte wandeln und niemals eine Frau meines eigenen Volkes lieben und freien würde. Ich würde für immer in dieser Öede bleiben müsse, die für mich nur aus Bäumen, Bergen und Schnee bestehen zu schien. Ich fror fürchterlich, ganz gleich wie sehr ich mich in meine alte Decke wickelte. Annve und ihr Vater boten mir an, Kleidung nach der Art ihres Volkes machen zu lassen, doch ich lehnte in meinem Schmerz hochmütig ab. Das Essen schmeckte mir nicht, weder das Wildfleisch, noch die erdigen Wurzeln, die man dazu reichte. Kurz um es ging mir schlecht. Ihr war zwar kein Gefangener, man sperrte mich nicht ein und man band auch nicht mehr meine Glieder, doch es wäre auch gleich gewesen. Ich wünschte, man hätte mich getötet. Allzu oft überlegte ich, ob ich meine Seele nicht befreien sollte, von eigener Hand, da es niemand anderes tun würde. Doch ich konnte es nicht, so oft ich auch die Möglichkeit hatte. Denn man verwehrte mir nicht den Zugang zu Waffen aller Art oder hielt mich auf, wenn ich denn- was damals selten vorkam- umherstriff. Ich war tatsächlich aber überzeugt, dass ich so oder so sterben würde. Und es kam auch so, dass ich im ersten Winter krank wurde. Meine Haut begann zu glühen und ich zitterte am ganzen Leib. Ich hatte soetwas noch nie zuvor erlebt. Meine Nase war angeschwollen und mein Hirn schien sich zu verflüssigen. Vor meinen Augen tanzten Bilder, mein Vater, meine Mutter, meine Brüder Amad und Saiid und meine mir Versprochene Samira. So würde ich also enden, in diesem eisigen Land. Und niemand würde davon erfahren.
Mir ist nicht ganz bewusst, wie viel Zeit vergangen ist. Wie lange ich im Wahn war. Die Tage wurden bereits wieder länger, wenn auch nicht viel, als ich zum ersten Mal wieder klar dachte. Ich lag auf einer Liege, dick zugedeckt unter zahllosen Fellen und meine Augen wanderten verwirrt durch den Raum. Sah so etwas das Totenreich aus? Sollte mir das Paradies verwehrt bleiben, nur weil ich nicht in meiner Heimat gestorben war. Doch da beugte sich jemand über mich. Ich sah das Gesicht zunächst nur unscharf, da meine Augen ein wenig brauchten, um sich anzupassen. Es war Annve, die mich genau musterte. Ihre schlanken, sanften und doch starken Finger betasteten vorsichtig mein Gesicht. Sie drückte meine Wangenknochen ab und stieß tief in die Schläfe, so stark, dass ich erstickt aufschrie.
„Du spürst also wieder etwas. Das ist gut. Schmerz ist immer gut. Es bedeutet, dass du lebst.“
Leben? Ich? Wie war das möglich?
„Das weiß ich auch nicht genau. Vielleicht meine aufopferungsvolle Pflege. Immer hin habe ich viele Tage der Jagd bei dir verbracht.“
Hatte ich laut gesprochen? Wahrscheinlich. Aber was hatte sie gesagt? Annve war immer bei mir gewesen? Ich konnte mich nicht erinnern. Vielleicht ein wenig. An einen Schatten. Ich wusste es nicht mehr.
„Was...was...“
Mein Mund fühlte sich trocken an. Eigentlich hatte ich fragen wollen, was denn mit mir gewesen sei. Doch Annve verstand mich glücklicherweise falsch und setzte einen Krug Wasser an meine Lippen. Behutsam neigte sie das Gefäss, so dass mir das Schlucken einfacher gemacht wurde. Erst nach einigen Augenblicken gelang es mir richtig zu sprechen.
„Was war mit mir? Ich kann mich an nichts erinnern.“
Sie lächelte schwach.
„Kein Wunder, Ibn. Du hattest die schwerste Grippe, die jemals jemand aus unserem Dorf hatte. Wahrscheinlich sogar die schwerste im ganzen Klan. Du warst beinahe zwei...wie sagt ihr...Monate von Sinnen.“
Darüber musste ich erst einmal nachdenken. Ich kannte diese Krankheit nicht, aber sie musste wahrhaft scheußlich sein. Auf jeden Fall fühlte ich mich scheußlich. Wenn auch nicht unbedingt krank. Nur schwach und müde. Meine Augenlider flatterten Doch da gab es noch was, dass ich fragen musste.
„Hast du wirklich die ganze Zeit an meinem Bett gewacht?“
Annve lachte hell auf, mir fiel auf, wie schön ihre Stimme doch war.
„Beinahe, Ibn, beinahe. Immerhin bist du mein.“
Mit diesen Worten stand sie auf und ging hinaus. Und ich versank in einen schweren, schwarzen Schlaf.
Als die Schneefälle nachließen und die Sonne länger schien, begann ich meine ersten Gehversuche. Ich hatte mir endlich ein Vjallwiker-Gewand- Für mich hießen sie einfach so, auch wenn ich längst gelernt hatte, dass dieser Begriff falsch ist- geben lassen und ging die folgenden Wochen durch das Dorf. Ich sah mir alles nun genauer an. Viel genauer als ic hes vorher tat. Ich kann nicht genau erklären, weshalb dieser Sinneswandel plötzlich in mir geschah. Der Schmerz war noch in mir, aber er war nicht mehr so überwältigend. Vielleicht hatte ich das Gefühl diesen Leuten etwas zu schulden. Ich weiß es nicht genau, noch immer nicht. Doch ich erkannte zu dieser Zeit vielerlei. Ich erkannte welche geschickten Baumeister die Islifiri- so nannten sie sich selbst- waren. Die Dächer ihrer Holzhäuser waren so gedeckt, dass der Schnee nicht erdrückend schwer werden konnte, sondern aus eigener Kraft regelmäßig herunterrutschte. Ich sah, wie geschickt sie aus den Wäldern, Flüssen und Meeren sich holten, was sie zum leben brauchten. Lange saß ich auf einem Felsen in der Sonne und beobachtete einige Männer beim Fischen im Fluss. Sie verwendeten Netze aus Holzfasern und Spieße. Geschickt zogen sie einen großen Fisch aus dem Wasser, nur um gleich den nächsten zu fangen. Als sie mich bemerkten, winkte mir einer von ihnen zu und rief etwas. Ich schüttelte den Kopf, denn ich hatte es nie für nötig erachtet, die Sprache meiner- so hatte ich gedacht- Kerkermeister zu lernen. Aber der Vjallwiker machte durch Gesten deutlich, dass ich näher kommen sollte. Man begrüßte mich freundlich und wenig später stand ich auch in dem klaren Wasser des Baches und fischte. Später war ich müde, aber glücklich, aber auch beschämt. Ich hatte mich so in mein Leid vergraben und angenommen, dass alle Vjallwiker mich hassen würden und mich nur als nutzlosen Mitesser ansahen. Doch ich hatte mich getäuscht, das musste ich eingestehen. Ab diesem Tag half ich so gut ich konnte bei den Arbeiten im Dorf. Und am gleichem Abend bat ich Annve mir ihre Sprache beizubringen.
Ich lernte schnell, doch es war mühsam. Denn die Issprak ist schwierig für jemanden der nur die Laute meiner Heimat gewohnt ist. Diese Sprache scheint mit keiner mir bekannten Zunge verwandt. Ich erinnere mich einst in meiner Heimatstadt Gezirah einen elfischen Dialekt gehört zu haben, der ähnlich klang. Doch die Worte waren einzigartig. Aber Annve war eine geduldige Lehrerin. Sie lehrte mich wie ein Kleinkind die einfachsten Sätze, bis ich sie makellos sprechen konnte. Sie brachte mir bei wie man die Worte richtig beendete und wann man „Kvinna“ und wann „Kone“ sagte. Bei einer Lehrstunde scherzte ich, dass ihre eigene Schulzeit ja nicht so lang her sei, sie wisse daher ja wie es gehe. Da sah sie mich aus zusammengekniffenen Augen an, so dass die Saphire funkelten. Zuerst glaubte ich sie beleidigt zu haben.
„Was glaubst du, Ibnir, wie alt ich bin?“
Sie fragte das mit einer so unschuldigen Stimme, dass ich recht arglos antwortete.
„Du bist sicherlich nicht älter als zwanzig Jahre. Vielleicht noch ein wenig älter, aber nicht viel.“
Annve sah mich für einen Moment an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. Ich verstand sie nicht recht.Was war denn so lustig?
„Ibnir, Ibnir.“
Ibnir, so nannte sie mich seit dem sie mich unterrichtete. Es klang mehr nach ihrer Sprache, und ich nahm diesen Namen dankbar an, da ich nicht länger ein Fremder sein wollte, viel weniger wollte ich mich wie einer fühlen müssen.
„Ibnir, ich bin beinahe hundert Jahre alt.“
Es kam so knapp und schnell, vor allem war es unerwartet. Meine Mund stand wohl offen, und mein Gesichtsausdruck war wohl nicht der intelligenteste, denn sie lachte wieder. Doch es war kein spöttisches Lachen. Und ich musste eingestehen, dass ich töricht gewesen war. Ich hatte dieses Mädchen nach meinem Maßstäben gemessen und auch so behandelt. Dabei war sie um ein vielfaches älter als ich. Und wie alt war dann erst ihr Vater? Dabei war es doch nicht unbekannt, dass manche Elfenvölker so betagt wurden. Welch Narr ich doch immer noch war.
„Aber du hast nicht allzu unrecht, Ibnir. In meinem Volk gilt dieses Alter noch als Jung, und die Islifiri machen sich nicht viel aus dem Alter. Wir ehren nur die ehrwürdigen Alten wegen ihrer Weisheit. Aber wir sind uns auch bewusst, dass mit dem Alter auch Torheit kommen kann.“
Meine Wanderungen führten mich immer weiter in die Wälder. Die Jäger des Dorfes hatten mich gelehrt, wie ich die unförmige Schneeschuhe benutzen konnte, um den scheinbar immer liegenden Schnee leichter zu überwinden. Bald glitt ich auch schnell durch das Land. Es war so anders als meine Heimat. Meine Heimat war eine große endlose Wüste aus rötlich-gelben Sand, selten unterbrochen von blühenden und grünenden Oasen des Lebens. Hier aber, herrschten endlose Wälder und hohe Bergen, durch die sich reißende Flüssen fraßen. Manchmal kam ich auch über kalte Steppen, zu meist in der Nähe des Gebirgsmassives, dass man Gramurholdur nannte. Das, was mir zuvor als bedrohlich vorgekommen war, übte nun einen seltsamen Reiz auf mich aus. Es war eigenartig. Ich genoss die Natur, und als die Vjallwiker dies sahen, schienen sie sich zu verändern. Ich war kein Gast mehr, ich wurde zu einem von ihnen.
Ich möchte nicht behaupten, dass dies alles innerhalb kürzester Zeit gesehen wäre. So mag es erscheinen, doch vergingen Jahre, bis ich wirklich meinen Platz in dem Dorf einnahm. Jahre, die beschwerlich waren. Jahre, in denen ich oft auch dachte, ich hätte nie hier her kommen dürfen. Inzwischen beherrschte ich die Sprache, die Sitten und Gebräuche. Auch ich rief den Beschützer an, den Wolf. Auch ich begann mich vor den Stummen Monstern zu fürchten und die Geheimnisse des Stammes zu teilen. Doch mehr noch: Ich begann zu lieben.
Doch erlosch die Sehnsucht nie in mir, meine Heimat war in meinem Herzen, wenn sie auch das Herz nun teilen musste.
Eines Tages geschah etwas seltsames. Ich verließ morgens meine Hütte, die ich mit Annve gemeinsam bewohnte, als das ganze Dorf in Aufruhe zu sein schien. Als ich Annve danach fragte, antwortete sie nur:
„Es ist das Jahr des Jarls. Alle Hersir müssen zum Jarl und dort abermals Treue schwören. Zudem können sie dort Bitte stellen.“
Der Jarl. Der Häuptling der Häuptlinge war für mich nur eine ferne Persönlichkeit, von dem mit Faern erzählt hatte, mehr nicht. Ein vager Gedanke regte sich in mir. Ich ging an dem gleichen Tag und sprach mit Annves Vater, dem Hersir des kleinen Dorfes.
„Du reist morgen zum Jarl der Wölfe?“
„So ist es, mein Sohn. Weshalb fragst du?“
„Weil ich dich gern begleiten würde.“
So zogen wir in einer Gruppe von vielleicht 20 Männern dem Grammurholdur entgegen, an dessen Ausläufern sich die Hügelfeste befinden sollte. Tatsächlich kamen wir nach einigen Tagesmärschen dieser Feste entgegen. Sie trohnte hoch über den geschwungenen Hügeln, ihr massiver hölzerner Turm ragte gedrungen empor. Ich wusste inzwischen, dass die Vjallwiker ihre Werkzeuge verzaubert hatten, wenn sie auch ansonsten keine Magie verwendeten, und so wundersame Bauwerke schuffen. Die Feste des Jarls war ein herrliches Beispiel dafür. Die Schnitzerein waren zu fein, dass selbst die geschicktesten Hände sie hätten schnitzen können und die wuchtigen Baumstämme zu gerade, dass eine Axt sie so gehauen haben könnte. Schon eine Meile vorher begrüßten uns einige Abgesandte aus der Festung. Sie musterten mich mißtrauisch, aber vielmehr neugierig, entspannten sich aber als Faern auf sie einredete. Sie hatten wohl von mir schon gehört, das Rundohr, das zum Islifiri wurde. Ich betrachtete sie wohl ebenso eindringlich, wenn auch eher interessiert, als etwas anderes. Die Männer des Jarls waren alle in Wolfsfelle gehüllt, aber auffälliger noch, waren ihre beinah knielangen Kettenharnische. Das nordische Silber, Vjyallyd genannt, glitzerte in der tiefstehenden Sonne. Inzwischen wusste ich sehr wohl, was mein Vater auf diesem Kontinent gesucht hatte. Dieses wundersame Metall war es gewesen, dass mich hierher verschlagen hatte. Nun, nach einer Handvoll von Jahren, kannte ich die Geheimnisse dieses Volkes beinahe so gut wie es selbst. Und mein Vater würde wohl nie davon erfahren.
In der, mir riesig vorkommenden, Festung wurde jeder Gruppe ein Lagerplatz zu gewiesen. Nach und nach rief der Jarl die Hersir zu sich. Wir anderen saßen derweil beinander und erzählten uns Geschichten und Märchen. Dies ist etwas, das Vjallwiker wohl zu einer Kunst entwickelt haben. Man verbringt gerne Stunden am Abend damit, Sagen zu erzählen oder sie sogar zu singen. Jeder Vjallwiker hat eine wundervolle Stimme, klar und kräftig wie ein Instrument und jeder kann virtous damit umgehen. Wahre Meister sind jedoch die Skalden. Früher hätte ich sie Barden genannt, doch diese Skalden sind viel mehr als Barden. Sie sind die Weisen, sie erhalten die Vergangenheit in ihren Liedern am Leben und sie beraten mit ihrem Wissen die Hersir und die Jarle.
Es gibt viel worüber die Vjallwiker erzählen, doch etwas, das alle zum verstummen bringt, dass sind die stimmlosen Ungeheuer. Ich hätte eigentlich nie daran geglaubt, doch ich weiß es inzwischen besser. Dieses Land müssen die Vjallwiker teilen, sie teilen es mit einem eigenartigen Volk. Es sind wohl die größten Feinde dieses Volkes, fürchterliche Feinde. Denn sie haben keinen Schlachtruf, keine Kriegslieder und sie brüllen auch nicht vor schmerz. Sie haben keine Sprache, sondern sind einfach nur stumm. Und sie sind erbarmungslos. Viele Dörfen haben sie schon verbrannt, und ein Vjallwiker würde jede Gelegenheit nutzen, ein solches Wesen zu töten.
Nach einigen Tagen des Wartens kam der Moment, auf den ich insgeheim gehofft hatte: Der Jarl wünschte mich zu sehen. Ich folgte also Faern in die Viktihallan, die Siegeshalle, in der der Jarl der Wölfe residierte. Er war nicht ungewöhnlich für einen Vjallwiker, zu mindestens vom Körper wirkte er wie jeder andere Mann dieses Volkes. Doch sein Blick war bei weitem schärfer und unerbittlicher, dass merkte ich sofort. Doch da war noch ein Augenpaar, dass mich nicht einen Moment unbeobachtet ließ. Ich hatte von diesem Mann gehört, der Skalde des Jarls. Er war wohl einer der ältesten seiner Zunft und einer der Erfahrensten. Der Jarl ließ mich also näher kommen und ich grüßte ihn auf Vjallwiker-Art, in dem ich die linke Faust vor dem Herzen ballte und mich leicht, fast schon umerklich, verbeugte.
„Ich grüße dich, mein Jarl.“
„Und ich grüße dich, Ibnir mit den runden Ohren.“
Diesen Namen hatte ich so oft hören müssen, dass er mich eigentlich nicht störte. Im Gegenteil, es war ja die Wahrheit.
„Du lebst schon eine lange Zeit bei uns.“
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Doch ich wusste genau, dass mich mindestens 4 Augen forschend taxierten.
„Ja, mein Jarl. Eine gute Zeit wie ich sagen muss.“
„Du hast eine Frau gefunden.“
„Ja, mein Jarl. Eine gute Frau.“
„Du bist ein guter Jäger und Kämpfer.“
Ob ich das war, das weiß ich nicht. Ich hatte mich behaupten können, mehr nicht. Aber das sagte ich nicht, die Vjallwiker erwarteten das ich zustimmte. Man war stolz auf seine Fähigkeiten in dieser Kultur.
„Ja, mein Jarl.“
„Dann bist du willkommen.“
Ein wenig verspätet dieses Willkommen, aber ich war dankbar.
„Ich danke dir, mein Jarl.“
Der Jarl nickte mir nur zu und wandte sich dann ab. Ich holte tief luft und rief ihm hinterher.
„Mein Jarl, ich bitte um eine Gunst.“
Alle schienen sich zu mir umzudrehen und mich anzustarren. Da ich keine Antwort erhielt, fuhr ich unbeirrt fort.
„Ich würde gerne eine Nachricht in meine Heimat schicken, auf dass man sich keine Sorgen um mich macht. Ich möchte meine Familie wissen lassen, dass ich mein Volk gefunden habe.“
Ich hatte meine Worte mir schon längst zurecht gelegt, sie beinhalteten alles, was Vjallwikern wichtig war. Familie, Heimat und Volk. Tatsächlich sah ich Mitgefühl in den glatten Zügen des Jarls, begleitet von Zögern. Er blickte kurz zu seinem Skalden, doch der hatte die Augen geschlossen und schien irgendetwas zu lauschen.
„Nun, Ibnir, ich gewähre dir gerne eine Gunst. Jede um die du bittest, denn du scheinst eine treue und tapfere Seele zu sein. Doch wisse, dass dieser Wunsch unmöglich zu erfüllen ist. Wem sollen wir diese Nachricht geben?“
Auch darauf hatte ich eine Antwort.
„Das nächste Schiff, dass ihr plündert. Gebt der Besatzung meine Nachricht und sie wird meiner Familie geben.“
Für einen langen Augenblick sah mir der Jarl an, dann schüttelte er den Kopf, langsam und bitter.
„Nein, Ibnir mit den runden Ohren, dies kann ich nicht erlauben.“
Damit endete meine Audienz beim Jarl...und wohl ein Teil meiner selbst.
Jarel Wolfssänger - 24. Jun, 12:41
Auszug aus den Berichten über die Fahrten des Händlers Ibn A'Shabar...
„Ich wusste nicht wie lange ich bewusstlos gewesen war. Überhaupt hatte ich mühe, überhaupt irgendetwas zu wissen. Mein Schädel schmerzte und als ich das erste Mal wieder die Augen öffnete, glaubte ich er würde mir bald zerplatzen. Erst langsam konnte ich mich wieder daran erinnern, was geschehen war. Unser Schiff war von den Vjallwiker geentert worden. Wir hatten gekämpf, tapfer wie ich glaube, doch sie waren in der Überzahl. Doch selbst wenn es nur einige wenige gewesen wären, ich glaube kaum, dass wir sie hätten besiegen können. Ihre Bewegungen waren im Kampf flink, sie handhabten ihre Waffen geschickt. Aber das war es nicht allein. Sie schienen sich nicht vor unseren Klingen zu fürchten. Sie blickten nicht wie ein jeder andere- zugegeben unerfahrene- Kämpfer auf die Waffe seines Feindes, sonder direkt in seine Augen. Mich griff ein junger Krieger an, zu mindestens glaube ich, das er jung war. Sein Breitschwert hieb noch recht wild nach mir und mir gelang es ihm eine Zeit auszuweichen. Mein Säbel schien ihn sogar zu verwunden. Doch dann zog er sich zurück und bevor ich mich vollständig umdrehen konnte, traf mich etwas am Kopf. Das letzte was ich gesehen hatte, waren durchdringende Augen von der Farbe eines Saphirs.
Dann blickte ich also, als ich es wagte meine Augen zu öffnen, auf eine Wand aus Holzbohlen. Ich lag auf dem Boden, auf einem Fell und meine Hände waren auf meinen Rücken gefesselt. Ich schien alleine zu sein. Wo waren die anderen? Steuermann Hadrin? Maat Daulober? Waren sie tot? Und weshalb war ich hier? Jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Erfolglos versuchte ich mich auf zu richten, und konnte deshalb nur meinen Kopf empor heben, um die Eintretenden anzusehen. Es waren zwei Vjallwiker, ein Mann und eine Frau. Beide trugen Kleidung aus Wolle, die mit Pelzen verbrämt wurde. Holzperlen, Scheiben und ähnlicher einfacher Schmuck zierte die Kleidung der Frau, ich konnte auch ein Muster erkennen, dass man in ihr Oberteil gestickt hatte. Der Mann trug dagegen eine Art Lederrüstung und ein Wolfsfell über den Schultern. Er schaute nur flüchtig zu mir hinüber, dann sprach er zu der Frau. Eine eigenartige Sprache. Einige laute klangen für mich sehr kehlig, doch beide sprachen sehr melodiös und betont. Die Stimme der Frau war nicht viel höher, als die des Mannes. Sie war ebenso wohlklingend und volltönend. Der männliche Vjallwiker deutete auf mich und sagte wieder etwas, dann verließ er das Haus. Die Frau blieb zurück, sie trat sogar auf mich zu. Da erkannte ich erst, dass sie eine hölzerne Schüssel und einen Krug bei sich trug. Sie kniete neben mir und richtete mich auf, so dass ich mit dem Rücken an der Wand lehnen konnte. Ihr Griff war erstaunlich fest dabei. Dann sah sich mich durchdringend an. Und ich erkannte die Augen. Der selbe Blick wie auf unserem Schiff. Hatte dieses zierliche Mädchen- denn so jung schien sie mir-, mich niedergeschlagen?Sie sagte etwas zu mir, was ich natürlich nicht verstand. Ich schüttelte den Kopf. Mit weiteren leisen Worten nahm sie einen Löffel begann mich zu füttern. Zuerst kniff ich die Lippen zu und versuchte mich von ihr abzuwenden. Doch dann siegte der Hunger in mir und ich ließ es zu. Der fleischige Brei schmeckte streng, wenn auch nicht unbedingt unangenehm, und mit kleinen Schlucken von Wasser zwischendurch, war er durchaus geniessbar. Während dieser demütigenden Situation betrachtete ich das Mädchen genauer. Sie hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge, mit hohen, geschwungenen Wangenknochen. Ihre blassen, aber vollen Lippen waren zu einem feinen Lächeln aufgeworfen, als sie mich wie ein Kleinkind fütterte. Doch am meisten faszinierten mich ihre Augen. Sie schien das schwache Licht in der Hütte aufzunehmen, zu brechen und in manigfaltigen Facetten zurück zu werfen. Das tiefe Blau erinnerte mich an einen See, in dem ich drohte zu versinken. Doch trotzdem, die Tatsache, dass sie elfisch war, stieß mich ab, wenn auch geringer, als zu glauben wäre. Selbstverständlich hatte ich noch nicht viele Elfen getroffen, sie waren recht selten und blieben eher für sich. Aus guten Grund, wie man meinen könnte, denn immerhin haben die Elfen diese Welt zu dem gemacht, was sie ist. Aber Halmanika war wohl einer letzten Orte, an dem ich Elfen vermutet hätte. Nur Fyrvale und die Blase kamen mir noch unwahrscheinlicher vor. Aber dieses Mädchen und meine Kopfschmerzen waren der beste Beweis wie man sich irren kann. Schließlich erhob sie sich und wandte sich zu gehen. Ich rief ihr nach, sie solle mir sagen, was mit meinen Kameraden gesehen sei, doch diesmal schüttelte sie nur den Kopf und ließ mich in meinem Gefängnis allein. Ibn, sagte ich mir, dein Glück hat dich wohl verlassen. Gefangen von elfischen Seeräubern, in einem eisigen Land und die Handelsexpedition gescheitert. Vater würde toben. Wenn auch eher wegen den ungeheuren Kosten, die meine Lehre und mein Studium verursacht hatten und nun wahrscheinlich verschwendet waren. Denn ich war mir sicher: Dieses Land verließ ich nie wieder.
So hing ich dunklen Gedanken nach, als wieder jemand die Hütte betrat. Es war das Mädchen abermals. Sie beugte sich zu mir, ließ mich ihren Duft atmen, dieser salzige Geruch und band mich los. Ich konnte kaum stehen und meine Hände waren taub, doch sie stützte mich. Sie führte mich aus dem Haus. Das Dorf, so will ich es mal nennen, bestand nur aus Holzhütten aus ganzen Baumstämmen und auf deren Giebel-Dächern Flächten und Moose zu wachsen schienen. Es lag mehr als knöchelhoch Schnee und meine niedrigen Stiefel waren längst durchnässt. Doch ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Alle Häuser waren mit reichen Schnitzereien verziert und hölzerne Standbilder bildeten den Kern der freien Fläche über die wir gingen. Es waren Bildnisse von Vjallwikern, aber es ragte das Bild eines Wolfes heraus. Ein riesiges Tier, dessen Augen silbern funkelten. Ich blieb wohl für einen Moment stehen, um zu staunen, denn sie stieß mich leicht in den Rücken.Einige Vjallwiker stand vor ihren Türen und blickten neugierig zu mir, andere dagegen hielten kaum in ihrer Arbeit inne.Sie führte mich zu einem großen langgstrecken Haus, das größte wohl im Dorf.Zwei bewaffnete Krieger schien davor Wache zu halten. Als sie uns kommen sahen, griffen sie zu ihren Klingen, doch sie waren schnell wieder beruhigt und entspannten sich sichtlich. Wie konnten sie nur ihre Arme nur bei dieser Kälte unbedeckt lassen? Im Innern des Hauses war es dunkel, aber angenehm warm. Wir betraten eine Art Saal, dessen Wände mit Fellen von Bestien, Waffen und anderen Trophäen. Zu meinem Grausen konnte ich auch einen scheinbar menschenlichen Schädel sehen, der- an einer Lederschnur hängend- zur Schau gestellt wurde. Das Schicksal, dass meine Gefährten ereilt hatte und das auf mich schon wartete, wurde mir klar. Und es gab kein Zurück. Wohin sollte ich auch gehen? Am Ende des Saales stand ein einfacher hölzerner Stuhl, doch allein aufgrund dieses Raumes, war mir klar das dies ein Thron sein musste.Der Mann, der darauf saß, bestätigte diesen Eindruck nur noch. Er war alt, doch sah ich dies mehr an seinen Augen, denn an seinen Zügen. Die waren die eines jungen Mannes, doch an keinem Zeitpunkt glaubte ich dieser Täuschung. Er war- wie alle Vjallwiker wohl- in Felle gewandet. Zudem trug er zahlreiche Schmuckstücke, viele daraus aus Silber. An seiner Hüfte hing eine Streitaxt, aus einem Material, dass ich nicht kannte. Er musterte mich für einen Moment, dann sprach er. Wie erstaunt war ich, als ich die Worte hörte.
„Wer seid ihr und was wollt ihr?“
Er hatte einen rauen Akzent und seine Wortwahl war grob, doch er sprach fehlerfrei die Handelssprache. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich brauche einige Momente zu antworten.
„Mein Name ist Ibn A'Shabar, aus der Familie Shabar und ich bin hier, um die händlerischen Möglichkeiten für mein Handelshaus aufzuklären.“
Ich wollte gerade weiterreden, als man mich unterbrach.
„Ihr seid also gekommen um uns auszuplündern?“
Ich war entsetzt, viel weniger wegen dieser Anschuldigung, sondern wegen dieser Art wie er es sagte.
„Nein, keinesfalls, mein Herr.“
Ich hatte beschlossen, dass Schmeichelein in diesem Moment wohl sehr angebracht sein würden.
„Niemals würde mir so etwas einfallen, vielmehr dachte ich an ein Abkommen.“
„Unwichtig. Sagt mir lieber, weshalb ich euch am Leben lassen sollte.“
Angst stieg in mir hoch, sie würden mich töten, wie die Anderen. Deshalb hatte niemand diesen verdammten Kontinent großflächig erschlossen.
„Herr, ich bitte euch, nein, ich flehe euch an, ich wäre euch sicher von Nutzen.“
Er blickte mich, an seine Brauen erhoben zu blauen Bögen über seinen Augen. Sein Mund zuckte. Ich verstand es nicht sofort, aber dann erkannte ich, dass er lachte.
„Hört auf euch so zu erniedrigen, Ibn A'Shabar. Ich möchte euch nicht töten.“
„Aber die anderen?“
„Leben noch und sind auf ihrem Schiff. Fliehen sicherlich so schnell sie könne.“
Ich traute meinen Ohren kaum. Sie waren am Leben. Das freute mich, aber gleich darauf war ich wütend, dass man mich zurückgelassen hatte. Der Vjallwiker schien meine Gedanken gelesen zu haben.
„Wir haben ihre Fracht geplündert und sind dann zurück gefahren. Wir nehmen normalerweise keine Gefangenen. Aber wir töten Rundohren auch nur, wenn sie ihre Füße auf unser Land setzen. Ihr dagegen, nun, ihr wurdet in der Schlacht von meiner Tochter niedergeschlagen und mitgenommen. Weshalb, das frage ich mich auch. Ihr gehört eigentlich ihr, ich dagegen wollte den Gast nur einmal sehen. Und ob ich, wie mein Sohn mir rät, euch köpfen soll.“
Tochter? Gast? Ich blickte das Mädchen an. Sie lächelte nur leicht- und kalt, wie ich anmerken muss, kalt und schön, wie ein Eiskristall- und sah dann wieder zu ihrem Vater. Was dann kam überraschte mich.
„Er hätte Bedrir ernsthaft verletzt, wenn ich ihn nicht niedergehauen hätte. Er ist ein guter Kämpfer für ein Rundohr. Und dann brachen wir wieder auf, da habe ich ihn auf unser Schiff getragen.“
Dieses zierliche Wesen hatte mich getragen? Und weshalb sprach sie auch die Handelssprache?
„Ich danke euch für eure Gastfreundlichkeit, doch ich verstehe nicht...“
Er winkte ab.
„Dankt nicht, ihr habt, so glaube ich, keinen Grund dazu. Wisst ihr denn nicht wo ihr seid?“
Welch eine Frage, nur was wollte er als Antwort?
„Ich befinde mich auf Halmanika und befinde mich in einem Vjallwikerdorf.“
„Vjallwiker? So nennen die Rundohren uns.“
Das war sie und sie klang nicht erfreut. Im Gegenteil: Ihre Augen waren zu funkelnden Schlitzen verengt und sie schob die Unterlippe ein wenig vor. Der Anblick von diesem schönen, aber wütenden Gesicht ließ mich beinahe zurückweichen.
„Verzeiht, ich wollte niemanden beleidigen.“
Der Mann, der wohl eine Art Anführer oder Häuptling war, schüttelte knapp den Kopf.
„Ihr beleidigt nicht, ihr seid nur unwissend. Meine Tochter ist ein wenig aufbrausend.“
Vorsichtig sah ich zu ihr, denn ich erwartete eine Demonstration dieses Tempratmentes, doch sie funkelte nur ihren Vater an.
„Ihr habt euch auf ein Land gewagt, dass euch eigentlich verwährt sein sollte. Dieses Land gehört den Beschützern und sie haben uns mit ihnen zu leben, doch andere sind ihnen unangenehm. Sie schänden die Erde, das Wasser und die Luft. Sie sollen fern bleiben. Ihr habt glück, Ibn A'Shabar, großes Glück. Ein anderer Clan hätte euch getötet, doch der Clan der Wölfe schätzt Gastfreundschaft.“
Ich verstand ihn nicht recht, doch ich wagte nicht nachzufragen.
„So danke ich euch trotzdem. Ich werde euch nicht allzu lange zur Last fallen.“
Damit verneigte ich mich höflich, wie man es mich gelehrt hatte. Doch dabei sah ich das Gesicht des Vjallwikers, es war voller trauer.
„Aber sagt mir vorher, mein Herr. Wer seid ihr? Wie soll ich euch nennen. Und wie soll ich eure bezaubernde Tochter nennen.“
Er richtete sich ein wenig auf und sah mir gerade in die Augen.
„Man nennt mich Faern Sogridlin, ich bin der Hersir dieses Dorfes. Das dort ist Annve, meine jüngste Tochter. Und nun, Ibn A'Shabar, seid ihr entlassen. Doch ihr gegen Abend könnt mit uns speisen, wenn ihr wollt.“
Damit wandte er sich ab, abrupt wie mir schien. Ich verstand nur sehr wenig, was ich eben erfahren hatte und stand ein wenig verwirrt im Saal und starrte dem fortgehenden Faern hinterher, bis mich dessen Tochter fortführte. Als für über den verschneiten Platz gingen, fragte ich sie wann man mich den gehen lassen würde. Sie sah mich auch an, teils traurig, teils wütend über mein scheinbares unverständnis. Ihre Antwort würde ich nie vergessen, das wusste ich sogleich.
„Du Narr, verstehst du nicht, du gehst hier nie wieder fort.“
Jarel Wolfssänger - 21. Jun, 18:19
Aus den Schriften des Skalden Fildaur Aarsil- Die Geschichte der Islifiri: Der Sturm und das Kommen des Wolfssängers
So ist nun für mich die Zeit gekommen, das niederzuschreiben, was bisher immer nur von Skalde zu Skalde weitergegeben wurde. Doch ich weiß nicht, wie lange meine Erinnerung noch währt und ob ich jemals einen Geeigneten Lehrling finden werde, einen Lehrling der das Heulen des Wolfes und das Lied des Schnees in den Ohren hat und nicht das Klingeln von verderbten Gold.
Also will ich die größte Geschichte niederschreiben die unser Volk kennt, denn es ist seine Geschichte. Ich hörte sie einst von meinem Lehrmeister, der sie von seinem Lehrmeister hörte und dieser selbst von dem seinigen. Am Anfang stand dann der Wolfssänger, der sie als erstes erzählte. Es ist eine Geschichte, die alle Kinder von ihren Eltern hören. Doch das sind Märchen, dies hier ist die Wahrheit. Ich, Fildaur Aarsil, Skalde des Jarls der Wölfe, berichte wie es schon der erste unserer Zunft tat.
Vor langen Jahren, lange vor der Geburt des Wolfssängers und den ersten Jarlen, lebte unser Volk schon in diesem Land. Doch sein Anlitz war anders, als wie wir es schon so lange kennen. Damals war es nicht von Wasser umgeben, sondern im Süden, dort wo nun die Skeltwale schwimmen, grenzte unser Land an eine mächtige Gebirgskette. Auch war die Kälte nicht ganzjährig, sondern verschwand, um später zurück zu kehren. Auch unser Volk war anders. Wir lebten nicht in Stämmen wie heute, sondern waren beherrscht von einem König. Dieser befahl über ein jeden, der in den Grenzen von Erlerik lebte. Wir hatte viele weise Könige, Könige deren Verstand und Mut unser Volk aufblühen ließ. Sie geboten über gewaltige Heere und über mächtige Magie. Auch wenn ein jeder dieser Könige selbst ein großer Zauberer war, stand ihnen ein Zirkel aus Magiern zu verfügung, jeder von unglaublicher Macht. Die Magie war damals einst stark, in beinahe jedem einzelnem vorhanden. Sie strömte gerade zu durch das Reich, schwebte in der Luft und durchdrang die Erde. Man nutzte sie offen, als Hilfe, oder- mehr noch- als Selbstzweck, nur der Magie willen. Unser Volk war mit der Magie verwoben, eins mit der Macht.
Doch wo Tag ist, dort muss auch Schatten sein. So war es auch in jenen Tagen. Erlerik war nur eines von mehreren Elfenreichen auf der Weltenscheibe. Nicht mehr viel ist über die anderen bekannt, gewiss ist nur, dass die Völker sich die Macht teilten. Bis zu dem Zeitalter des Sturms. Erlerik hatte schon zahlreiche Kriege gesehen und selbst ausgefochten. Hunderte, wenn nicht tausende Male waren die Krieger unseres Volkes in die Schlacht gezogen und hatten triumphiert. Doch es kam eines Tages anders. Es herrschte ein König dessen Dummheit nur noch von der Gier seiner Berater übertrofen wurde. Unglücklicherweise war dieser König auch stark in der Gabe der Magie, so wie es auch seine Berater waren. Als Erlerik in den Krieg gegen in die anderen Elfenreiche zog, zog ein Sturm auf, den niemand stoppen konnte. Ein Sturm, der alles was Jahrtausende brauchte um zu entstehen, innerhalb Jahre zerschlug. Ein Sturm, der unser Volk unter sich begrub.
Es existierte nichts mehr. Kein Feind, aber auch kein Freund. Erlerik war vergangen. Die einstmals großen Städte waren Schutt und Asche. Der König und seine Zauberer fort, aufgegangen in dem Sturm, den sie mit angefacht hatten. Die wenigen Überlebenden fanden sich selbst in einem Land wieder, das sie nicht wiedererkannten. Nicht wiedererkennen konnten. Als sich der magische Sturm legte und man sich aus den Verstecken wieder trauen konnte, nach einer solangen Zeit, da war unser Land fortgerissen. Die Himmelsberge im Süden waren nur mehr Klippen an einem großen Meer. Im Inland, dort wo einst die große Stadt gewesen war, hatte sich ein neues Massiv aufgetan. Man blickte empor und sah den Schnee hinab fallen. Schneefall, der nie zu enden schien. Was sie einst kannten, war verloren.
Doch sie erkannten auch etwas anderes nicht wieder: Sich selbst. Einstmals stolz auf ihr altes Reich, auf ihre Macht, standen sie nun in den Trümmern. Man konnte nicht verstehen, wie diese Verdammnis über sie gekommen war. Was hatten sie falsch gemacht? Waren sie nicht die mächtigsten gewesen? Hatten sie die alten Götter beleidigt? Oder hatten die Götter sie einfach nur verlassen? Viele unseres Volkes warfen sich damals von den Klippen. Sie konnten die Fragen nicht beantworten oder sie konnten es zu gut.
Die, die überlebt hatten und sich nicht in den Tod stürzten, fingen sich gegenseitig an zu hassen. Ein jeder gab seinem nächsten die Schuld an dem Schicksal das unserer Volk erleiden musste. So erschlug der Vater seinen Sohn, der Bruder seine Schwester und der Mann seine Frau. Und der Schnee färbte sich blutig rot. Als der Wahnsinn endlich abebbte, hatten sich Gemeinschaften gebildet. Familien versuchten sich in der Gruppe zu schützen und schlossen sich zusammen, um dann vereint gegen ihre Feinde zu streiten. Ihre Feinde waren ihr eigenes Volk.
Doch in dieser Zeit kam von dem Berg, den man bis dahin Gramuholdur- den Berg des Zorns- genannt hatte, ein Mann in die frostigen Ebenen hinab. Er war wie die anderen und doch anders, er war einer der Überlebenden von Erlerik, doch der Wahnsinn hatte ihn verschont. Er zog von Lager zu Lager, deutete auf die niedrigen Wälder und die hohen Berge und sprach von dem Kommen, von dem Kommen der Führer unseres Volkes. Und er sprach nicht nur davon, sondern er sang. Seine Stimme trug über das ganze Land, klang in der Nacht und verhallte leise im Morgengrauen. Und so sollte es sein. Jede Nacht traten Tiere in die, vom Feuer erhellten, Lagerstätten. In jedes Lager trat eines von einer anderen Art. Und jedes Mal sagte der Unbekannte als man zu den Waffen griff:
„Fürchtet euch nicht, euer Führer ist kommen. Ab der heutigen Nacht wird dieser Tier euer Führer und Beschützer sein. Ihr werdet in seinem Namen leben und ihm Ehre machen. Ihr werdet in diesen Landen bleiben, die euch euer Führer geschenkt hat. Dafür werdet ihr blühen und unser Volk wieder erstehen lassen.“
Manch einer glaubte ihm nicht, konnte ihm nicht glauben. Doch viele wollten es aus tiefsten Herzen, nach all den Jahren ohne Hoffnung. So erkannte ein jedes Lager seinen Führer an. So lebte seit diesem Jahre im Norden der Klan des Luchses, im Osten der Klan des Bären, im Süden der Klan der Robbe und im Westen der Klan des Fuchses. Ein jeder Klan wurde von einem Tier erwählt, das ihn stets begleitete.
Als man den Fremden fragte, welchem Klan er den angehöre, in welchem Namen er den lebe, da antwortete er nicht. Er sang. Er sang eines der schönsten Lieder, das man je hörte. Selbst die, die im nicht geglaubt hatten, lauschten gebannt. Und aus dem Walde drang eine Antwort. Das Heulen eines Wolfes. Und der größte Wolf mit dem strahlensten Fell, den man je gesehen hatte, trat hervor. Und der Fremde sprach:
„So seht ihr es, mein Führer soll der Wolf sein. Und so werde ich euch auch nun meinen Namen verraten. Jarel Wolfssänger bin ich.“ Und die, die gezweifelt hatten, wurden sein Klan.
Der Wolfssänger wanderte durch die Gebiete der einzelnen Klane und erzählte ihnen von dieser neuen Zeit, sang von den alten Göttern. Er lehrte das unser Volk nie an die alten Götter geglaubt hatte, sondern nur an die eigene Macht, an Macht, die aus Magie geboren wurde. Und er deutete auf die Erde unter seinen Füßen und sprach: „Und seht ihr, wohin uns das geführt hat? Es hat uns an den Rand der Verdammnis geführt. Doch wir sollten frohlocken, denn so können wir ein neues Leben beginnen.“
So verging die Zeit. Der Wolfssänger sang und lehrte. Er brachte bei, dass wir die Magie nicht hassen sollten, sondern sie nur mehr als Werkzeug. Sie war nichts schlechtes, doch man sollte behutsam mit ihr umgehen. „Sie ist wie das Feuer, das wärmt oder aber verbrennt. Sie ist wie das Messer, das rettet oder aber tötet. Horcht in euch, ihr werdet nicht mehr die gierige Magie hören, sondern den Klang der Erde und Luft, des Feuers und Wassers.“
Er lehrte unser Volk wie man die schwache Magie, die es noch besaß, zu verwenden, um damit Äxte zu verzaubern, damit sie die Bäume schneller fällten. Er zeigte wie man mit dieser Gabe Boote dichtete.
Doch eines Tages brach Streit in den Klanen aus. Wer sollte herrschen? Nicht nur das sich jeder Klan um die Vorherrschaft stritt, die einzelnen Familien beanspruchten ihren Klan für sich. So rief man wieder den Wolfssänger zur Hilfe. „Ich ernenne aus jedem Klan einen zum Jarl, er soll ihn lenken. Er soll diesen Titel an seine Kinder weitergeben können. Und ihm obliegt es würdige Hersir zu ernennen. Und jedem Jarl soll ein Skalde beistehen, der ihn berät und die Geschichte unseres Volkes bewahrt.“ So erhielt unser Volk die erste Jarel und die ersten Skalden, deren oberster Jarel Wolfssänger war. Doch noch stritt man sich um die Macht unter den Klanen.
„So sage ich euch, es wird immer nur ein Klan herrschen. Doch es wird ein Tag kommen, dann wird ein anderer herrschen und wieder ein anderer Tag, das ein neuer die Geschicke unseres Volkes führt. Immer wenn Mittsommer sich zum hundertsten Male jährt, wird das Amt des Forsedt weitergegeben. Alle Jarel haben dem Forsedt zu gehorchen, sei es auch ihr erbitterter Gegner. Und der Forsedt darf nur zu dem Wohle aller entscheiden.“ So erhielten wir den ersten Forsedt und es brach das erste Zeitalter der Wölfe an.
Jarel Wolfssänger wurde der erste Skalde des Jarls der Wölfe und er brachte anderen seine Kunst bei. Er zeigte ihnen wie man auf der Laute und Flöte spielt und wie man seine Gedanken niederschreibt. Doch er lehrte sie auch offene Ohren zu haben und einen offenen Verstand, so das man nicht schreiben brauchte. So verging die Zeit und sie ver ging gut. Die ersten Hügelfesten entstanden, aus den Felsen geschlagen mit den magischen Werkzeugen und aus Stämmen errichtet, die von verzauberten Klingen entrindet wurden. Und die Skalden segneten sie alle mit ihren Stimmen. Jeder Jarl errichtete seine eigene Festung und ehrte mit ihr seinen Führer und Beschützer. Es waren gute Jahre, die gekommen waren. Die Jagd war reichlich. Die Tiere dieses Landes waren durch den Sturm einst verändert worden, so dass sie ungewöhnlich groß und stark geworden waren. Doch unser Volk lernte sie zu finden und zu töten, so dass wir Felle und Fleisch hatten. Unsere Häuser bauten wir aus dem niedrigen Holz und dem das an die Küsten angeschwemmt wurde. In dem Meer der Tränen fischten unsere Boote oder sie jagten die riesigen Wale, die erschienen waren.
Doch dann kamen Fremde in unser Land. Rundohren. Sie landeten mit ihren Schiffen an unseren Küsten. Sie kamen zu unseren Lagern. Wir verstanden sie nicht. Wir fürchteten sie. Und wir erschlugen sie. Doch es starben viele von unserem Volk dabei. Die Rundohren hatten Waffen aus einem bläulichen Metall, dass uns fremd war. Und wir fragten den Wolfssänger um Rat. Der erste der Skalden war alt geworden, doch er war noch weise. Und er sprach: „Sie hätten nicht in dieses Land kommen sollen, das nicht ihres ist. Doch sie werden wieder kommen und wir werden ihnen widerstehen müssen. Drum werde ich euch ein Wunder zeigen.“
Und er führte uns empor in die Gipfel von Gramurholdur. Dort schlug er mit seinem uralten Stab aufs Gestein. Das Holz drang tief in den Fels. Und es blitzte auf. Silberne Kiesel rollten hinab.
„Dies ist das Wunder, das ich euch versprach. Dies ist Vjyallyd, der Fels der alten Götter, die uns nicht vergessen haben. Sie singen zu mir durch den Wolf und dies ist ihr Geschenk.“
Und seit dem bauen wir in Minen dieses Silber ab und schmieden daraus Waffen und Harnische. Und nur selten konnten die Rundohren diese herrlichen Klingen lang genug bewundern.
Und es waren diese Waffen, nach denen uns später die Rundohren benannten. Vjallwiker. Die Schimmernden.
Es kam der Tag an dem Jarel Wolfssänger ging. Er rief alle zu sich und sprach zu ihnen:
„Ich bin alt und meine Aufgabe ist getan. Unser Volk ist zurückgekehrt. Wir leben in Schnee und Eis, doch wir leben. Und wir leben gut. Drum verlasse ich euch nun. Ich gehe zum Wolf und werde dort bleiben. Doch vorher gebe ich euch letztes Geschenk zum Abschied. Ich gebe euch einen Namen. Dieses Volk wird ab diesem Tage Islifir heißen, denn es hat das Eis überlebt. So lebet wohl.“
Und er verließ die Islifiri und kehrte nie wieder zurück. Doch noch manchmal, so sagt man, hört man die Stimme des Wolfssänger in der Nacht. Und sie singt dieses Land in den Schlaf.
Meine Hand ist müde, ich habe lange geschrieben. So endet diese Geschichte, die Geschichte wie unser Volk geboren wurde. So endet die Geschichte des Wolfssängers.
Doch es gibt noch viel mehr zu erzählen. Das werde ich tun, so schwöre ich, Fildaur Aarsil, Skalde des Jarls der Wölfe, Nachfahre von Jarel Wölfssänger.
Jarel Wolfssänger - 16. Jun, 08:06
Auszug aus den Berichten über die Fahrten des Händlers Ibn A'Shabar...
„...und wir nährten uns mit einem stetigen Wind von Süden der eisigen Küste dieses öden Landes. Es war kalt, die Gischt gefror noch in der Luft und traf uns wie nadelgroße Klingen und schnitt in unsere Haut. Steuermann Hadrin steuerte das Schiff durch die aufgewühlte See, sein Blick aufmerksam die graue schnee- und eisbedeckte Küste absuchend. Als ich ihn darauf ansprach, antwortete er: „Dies sind Vjallviker-Gewässer, wir müssen wachsam sein.“
Ich verstand ihn damals nicht, doch er war nicht bereit darüber zu sprechen, deshalb ließ ich es darauf beruhen und starrte hinaus auf dieses, schon aus der Ferne ungastliche, Land. Ich war vor vielen Monden aufgebrochen, um die Lande zu bereisen und die Profite meines Vater zu mehren. Doch schien es mir schleierhaft welche Schätze hier sein sollte. Doch die Kundschafter unseres Handelshauses waren überzeugt, dass hier teuerstes Holz, feinste Pelze und reinstes Erz zu finden sei. Doch mehr noch, da war ich mir sicher, faszinierte meinen Vater etwas völlig anderes. Etwas das er selbst mir, mir seinem ältesten Sohn, nicht anvertraute. Unser Schiff begann entlang der Küste zu kreuzen, die ich nur als dunklen Strich erkennen konnte. Die Sonne sollte hoch über unseren Köpfen stehen, doch ihr Licht war wie das einer abgeblendeten Laterne, fahl und wenig wärmend. Ich wickelte mich enger in meinen Mantel, als ein Ruf von dem Ausguck mich aufschauen ließ.
„Schiffe steuerbord ab.“
Zunächst sah ich nichts ausser den schwarzen Fluten, doch dann nahm ich die Punkte war, die sich mit rasender Schnelle nährten. Meine Augen suchten Hadrin. Dieser blickte angestrengt durch sein Fernrohr auf die Fremden. Als er es dann absetzte, war sein Gesicht beinahe so bleich, wie das Eis auf seinem Bart. „Setzt alle Segel, wir drehen in den Wind. Beeilung, Beeilung.“
So aufregent hatte ich die Besatzung noch nie erlebt. Alles schien zu laufen, zu hasten. Nur unter Mühen gelang es mir, zu Hadrin zu gelangen, der das Steuer hart herumriss. Auf meine Frage hin, sah er mich nur finster an und antwortete widerwillig:
„Ihr wolltet doch wissen, was Vjallwiker sind, nicht wahr Ibn? Nun ihr werdet es bald erfahren, denn das da sind sie und wir können nicht vor ihnen davon laufen.“
Das mochte ich kaum glauben, denn Hadrins Schiff war schnell wie die Möwe, gebaut um vor den schwerfälligen Kriegsschiffen zu flüchten. Doch tatsächlich die Fremden kamen immer näher, bald konnte ich sehen, dass Ruder wie Schwingen über die Wellen schwebten, die Masten dagegen waren leer. Es waren eigenartige, flache Schiffe. Sie schienen offen zu sein, nur von einer Art Plane abgedeckt, ihr einziger Mast war kurz und sowohl Bug als auch Heck waren mit hochgezogenen Hölzern versehen. So sehr sich Hadrin auch abmühte, der Abstand wurde immer geringer.
Um mich herum zogen die Seeleute ihre Waffen, Säbel, Belegnägel oder Spieße. Auf den Vjallwiker-Booten sah ich dagegen noch nichts. Bis sie mit uns gleich auf waren und die Plane zurück gerissen wurde. Ich sah sie genau. Auf jedem Schiff waren wohl 3 Dutzend von ihnen, alle in Felle und Pelze gekleidet, über denen sie silberne Rüstungen trugen und alle bewährt mit Äxten, Schwertern und Lanzen. Zunächst glaubte ich an Menschen, doch dann sah ich ihre Gesichter. Ihre Züge waren schmal, die Haut hell, tief-blaue Augen funkelten mich aus der Ferne an, während jeder von ihnen eine wallende Haarpracht trug, von so einer ungewöhnlichen Farbe, dass ich an die Eisberge denken musste, die ich gesehen hatte. Auch waren Frauen unter ihnen, von einer solch ungewöhnlichen und unwirklichen schönheit, dass ich beinahe die Gefahr vergass. Aber was mich überzeugte, dass dies keine Menschen waren, das waren ihre Ohren, die nicht rund waren wie die meinigen, sondern langgezogen spitz und sich kühn nach hinten streckten. Ein Wolfskopf blickte mich mit gefletschten Zähnen vom Bug her an.
Dann flogen die Haken und ich zog mein Schwert...“
Jarel Wolfssänger - 13. Jun, 10:38